Der Orden der Grabesritter „öffnet“ sich den Geschiedenen

Der Orden der Grabesritter „öffnet“ sich den Geschiedenen

Über die problematische Situation einiger Mitglieder des Ordens “ heißt das Dokument, mit dem Kardinal Fernando Filoni, Großmeister des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, die Ordenszugehörigkeit von Geschiedenen „normalisiert. Medien wie die staatliche italienische Presseagentur ANSA sprechen von einer „Errungenschaft“ des nachsynodalen Schreibens Amoris laetitia.









Menschen in „schwierigen Eheverhältnissen“, die geschieden und wiederverheiratet sind, dürfen Damen und Ritter vom Heiligen Grab bleiben, werden aber aufgefordert, einen Schritt zurück zu machen, wenn sie eine Führungsposition im Orden innehaben. Das Dokument wird auch als „Öffnung“ interpretiert, daß künftig auch Geschiedene und Wiederverheiratete in den Orden aufgenommen werden können.





Die Neuerungen wurden vom Kardinal-Großmeister am Mittwoch, dem 2. Juni, bekanntgegeben. Als Anlaß nennt Großmeister Filoni in seinem Dokument:





„Von Zeit zu Zeit erhalte ich Briefe, in denen sich die Absender über Situationen beklagen, die nicht mit der Lehre der Kirche im Bereich der Moral übereinstimmen, was die eheliche Situation von geschiedenen und wiederverheirateten Rittern und Damen betrifft.“





Er antworte auf eine Bitte, die „mit Leiden“ gestellt wurde, so der Kardinal, der sich seit seiner Investitur am 1. Februar 2020 das Ziel gesetzt zu haben scheint, den Ritterorden, dessen primäre Aufgabe die Unterstützung der Christen im Heiligen Land ist, von Symbolen und Riten zu „befreien“, die in Santa Marta offenbar als überholt angesehen werden. Am 7. Mai trat die Neufassung des Ritus der Ordenszeremonien in Kraft. Damit wurde das Schwert beim Investiturritus abgeschafft. Als Grund wurde unter anderem genannt, daß es im Moment der Aufnahme keinen „Unterschied“ mehr zwischen Männern und Frauen geben soll. Weitere Gründe wurden vom General-Statthalter Agostino Borromeo am 12. Mai veröffentlicht. Dabei erstaunt, daß er einen direkten Zusammenhang der Grabesritter mit den Kreuzzügen und dem Chorherrenorden bestreitet, während Papst Franziskus diesen beim Promulgieren der neuen Ordensstatuten im vergangenen Jahr ausdrücklich betonte.





Nun nahm sich der langjährige Vatikandiplomat Filoni der Frage der geschiedenen und wiederverheirateten Ordensmitglieder an. Bisher konnten Geschiedene dem Ritterorden nicht beitreten und erfüllten, sofern bereits aufgenommen, nicht mehr die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft. Allerdings werden die entsprechenden Normen in verschiedenen Statthaltereien nicht mehr durchgesetzt, sodaß sich unter den weltweit knapp 30.000 Ordensangehörigen Ritter und Damen, deren Stand sich nach ihrer Aufnahme in den Orden änderte. Großmeister Filoni bekräftigte, daß Geschiedenen und Wiederverheirateten keine Führungspositionen im Orden innehaben können:





Allerdings stehe der Orden „denen nicht gleichgültig gegenüber, die Opfer sind oder sich in Situationen ehelicher Trennung befinden. Die Prioren müssen den Geist der Unterscheidung und Sinn für Seelsorge an den Tag legen, und die Glaubensbrüder müssen Verständnis zeigen und die Leidenden mit ihrem Gebet und ihrer Nähe unterstützen. Darüber hinaus ist die Teilnahme am Ordensleben sicherlich eine seelische Hilfe, vor allem, wenn es in einem solchen Fall zu einer Schwächung des Glaubens und des Zeugnisses kommen kann.“





Dazu bekräftigt Kardinal Filoni:





„Dennoch ist die Ehescheidung ein Übel (vgl. Amoris Laetitia 246) und mit einer neuen Eheschließung schließt man sich tendenziell von der vollen Teilnahme am sakramentalen Leben, nicht aber vom christlichen Glauben aus.“





Daraus folgt die Kernaussage des neuen Dokuments:





„In diesen beiden Fällen sind insbesondere diejenigen eingeladen, die innerhalb des Ordens Verantwortung übernehmen – dies sage ich mit Betrübnis – auf ihre Aufgabe zu verzichten, ohne jedoch den Zweck ihrer Mitgliedschaft im Orden aufzugeben.“





Zur Begründung schreibt der Großmeister:





„In Wahrheit ist der Orden keine rein ehrenvolle Einrichtung, sondern ein Weg, um die Treue zu Christus und zur Kirche zu bezeugen und dabei ein besonderes Augenmerk auf das Land Jesu zu richten, in dem wir die Mutterkirche in Jerusalem unterstützen.
In diesem Sinne hat es grundlegende Bedeutung, Mitglieder zu erwählen, die ein moralisch unbescholtenes und hochstehendes Leben und einem großzügigen Engagement führen.“





In der Wiedergabe der ANSA klang das so:





„Filoni erinnerte jedoch daran, daß dies nicht bedeutet, daß eine Scheidung eine schlechte Sache ist.“





Die Chorherren vom Heiligen Grab und die Grabesritter





Symbol der Chorherren vom Heiligen Grab




Der Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem wurde in seiner heutigen Form 1847 errichtet. In seiner Tradition geht er aber bereits auf das Jahr 1099 zurück, nachdem Jerusalem und das Heilige Grab von den Kreuzrittern befreit worden war. 1114 wurde in Jerusalem der Orden der Chorherren vom Heiligen Grab in Jerusalem gegründet, der aus dem 1099 errichteten Domkapitel des lateinischen Patriarchats von Jerusalem hervorging. Ihnen oblag die Aufgabe, die heilige Liturgie in der Grabeskirche zu zelebrieren und dem Patriarchen in seinen geistliche und materiellen Aufgaben zur Seite zu stehen. Die Regularkanoniker lebten nach der Regel des heiligen Augustinus. Die Reste ihres Klosters, des Moustier (monasterium, Münster) an der Südwest-Seite und auf dem Dach der Grabeskirche kann man noch heute sehen. Der Zugang erfolgte durch die Kapelle der Franken. Die Ruinen des Chorherrenstiftes sind heute der Bereich der koptischen und äthiopischen Mönchen. Weitere Klöster entstanden in Jaffa, Akkon Bethlehem, auf dem Berg Tabor und an anderen Orten des Heiligen Landes. Um den Orden entstand eine Bruderschaft von Kreuzrittern, die im Heiligen Land blieben und sich in den Dienst der Grabeskirche und des Ordens stellten, die sie mit ihrem Schwert schützten.





Mit der Rückeroberung Jerusalems durch die Muslime mußten die Chorherren 1291 das Heilige Land verlassen und sich nach Europa zurückziehen, wo Niederlassungen bereits im deutschen Reich, in Polen, England, Frankreich, Spanien, Kroatien und Italien bestanden. Hauptsitz wurde zunächst Perugia in Mittelitalien, dann Miechów in Kleinpolen. Dort befindet sich die älteste Nachbildung des Heiligen Grabes in Europa, das mit Steinen aus dem Heiligen Land errichtet wurde und in das ein Stein vom Grab Christi eingelassen ist. Ab 1500 war die Prostei Neiße in Schlesien Sitz des Ordensgenerals, weshalb der Orden auch als Neißer Kreuzherren vom Heiligen Grab bezeichnet wurden. Die Napoleonischen Kriege bedeuteten durch die Säkularisierung im Jahr 1810 das fast vollständige Erlöschen des Ordens. Auch das Kloster in Neiße ging verloren. Nur mehr das Kloster in Miechów bestand noch, bis es 1819 von den russischen Behörden aufgehoben wurde. Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Der weibliche Zweig existiert aber bis heute vor allem in den Niederlanden und Belgien. Das letzte deutsche Kloster wurde 2007 aufgehoben.





Die Investitur von Jerusalempilgern als Grabesritter erfolgte nach 1291 durch die Franziskanerkustodie des Heiligen Landes, der einzigen Vertretung der lateinischen Kirche, die von Muslimen noch geduldet wurde. Der amtierende Lateinische Patriarch, Pierbattista Pizzaballa OFM, war vorher Kustos des Heiligen Landes.





1847 erlaubte das Osmanische Reich erstmals wieder die Niederlassung des lateinischen Patriarchen in Jerusalem, nachdem dieser die Stadt 1187 verlassen hatte müssen. Papst Pius IX. errichtete zu dessen Unterstützung den Ritterorden vom Heiligen Grab und knüpfte dabei an die älteren Traditionen an. Der erste wieder in Jerusalem residierende Patriarch, Giuseppe Valerga, wurde zugleich auch erster Großmeister des Ordens.





Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons