Bischof Scheuer skeptisch zu "bedingungslosem" Grundeinkommen

Bischof Scheuer skeptisch zu

Skeptisch ob des viel diskutierten bedingungslosen Grundeinkommens ist der Linzer Bischof Manfred Scheuer. "Es braucht eine soziale Absicherung für jene Menschen, die keine Arbeit haben, aber auch Anreize", sagte Scheuer in einem Interview der oberösterreichischen "BezirksRundschau" (Montag, online). "Dass 'bedingungslos' der richtige Weg ist, glaube ich deshalb nicht", fügte der Bischof hinzu: "Die Leute müssen Verantwortung für ihr Leben übernehmen." Natürlich gebe es Menschen, die körperlich oder psychisch nicht in der Lage sind, zu arbeiten. Hier brauche es eine Basis für das Lebensnotwendige. Die Frage sei freilich: "Wie viel ist genug?" Der Unterschied zwischen den Arbeitenden und den Nicht-Arbeitenden müsse gegeben sein, "diesen Anreiz braucht es", so Scheuer.

Die Coronakrise zeige, dass ein Grundwasserspiegel an Zusammenhalt in der Gesellschaft da sei, auch wenn es immer wieder "massive Schübe an Individualisierung" gebe. Für den Zusammenhalt der Generationen sei die Krise aber jedenfalls eher positiv, so der Bischof, der in dem Interview auch das Funktionieren der Sozialpartnerschaft in der Krise positiv hervorhob. Nachsatz: "Ich hoffe, dass das nicht verschwindet, wenn wir mit wirtschaftlichen Einbrüchen konfrontiert sind. Es ist jedenfalls gut, dass wir eine soziale Grundsicherung haben."

Einmal mehr mahnte der Linzer Bischof aber auch mehr internationale Solidarität mit Griechenland bzw. den Menschen in den dortigen Flüchtlingslagern ein. Die Aufnahme eines Kontingents an Flüchtlingen durch Österreich wäre angemessen, auch um Griechenland zu entlasten. Luxemburg und Deutschland seien zumindest kleine Schritte gegangen. Scheuer:


Das wäre auch bei uns ein Zeichen für eine Grundhaltung - für eine echte Lösung braucht Europa aber Afrika. So wie im Fußball, da haben ja fast alle europäischen Spitzenvereine ihre Fußballakademien in Afrika.


Die Krise habe zudem gezeigt, "wie wichtig bestimmte Berufe und wie wichtig ausländische Arbeitskräfte für uns sind - in der Pflege, als Erntehelfer. Und wir dürfen diese Menschen nicht nur in den Zeitungen loben, sondern müssen uns auch für entsprechende Gehälter und familiengerechte Arbeitszeiten engagieren", forderte der Bischof. Zugleich warnte er vor Forderungen nach einer Ausdehnung der Arbeitszeiten oder nach Sonntagsöffnungen, um den wirtschaftlichen Schäden durch Corona entgegenzuwirken.

"Corona ist ein Durchlauferhitzer"

"Corona war und ist ein Durchlauferhitzer für positive und negative Entwicklungen", hielt Scheuer weiter fest und suchte dies am Beispiel der Landwirtschaft zu verdeutlichen. Zwar könne die Industrialisierung der Landwirtschaft nicht rückgängig gemacht werden, aber die Massenproduktion mit ihrer Zerstörung der kleinen Strukturen, dem Antibiotikaeinsatz bei den Tieren in Großzuchten und vielem mehr - "das ist net g'sund für die Viecher und net g'sund fia d' Leit". Hier ortete Scheuer ein Umdenken und er unterstrich: "Die Wertschätzung für die Lebensmittel und die Landwirtschaft ist eine Zukunftsfrage."

Auf einen zunehmenden Nationalismus als negative Folge der Krise angesprochen, meinte Bischof Scheuer: "Die Nationalismen haben zugenommen und die Parteien spielen stärker damit. Aber ich würde nicht sagen, dass Corona die nationalistischen Parteien gestärkt hat." Es müsse eine Wertschätzung für das Eigene und zugleich eine Anerkennung für das Fremde geben. Die Bedeutung der Politik als Gestalter für das Leben sei jedenfalls stärker ins Bewusstsein gekommen, gemeinsam mit der Wissenschaft. "Aber die Wissenschaft kann nicht Entscheidungen treffen, es braucht die Politiker für die Abwägung, etwa zwischen Wirtschaft und Gesundheit", so der Bischof.

Baumärkte und Kirchen nicht vergleichen

Hinsichtlich der ersten Gottesdienste nach den Corona-Lockerungen sprach der Bischof von unterschiedlichen Erfahrungen: "Wir sind froh und dankbar, dass sich stufenweise etwas getan hat. Und wir wissen, dass es bis zur Normalität noch Zeit braucht. Aber die Frage der Verantwortung für die Anderen ist zentral." Die Abstandsregeln seien gewöhnungsbedürftig und manche Gläubige blieben deshalb daheim, "weil sie nicht damit umgehen können", so der Bischof: "Die Masken, das Abstandhalten, das verhindert eine gelöste Stimmung."

Bei den Gottesdiensten hätten sich die Leute grundsätzlich daran gehalten und es seien mit viel Kreativität die Gestaltungsmöglichkeiten ausgelotet worden. Aber: "Natürlich geht einer Liturgie ohne Sinne, ohne Händedruck, ohne Kuss, etwas ab. Am deutlichsten habe ich das in der Osternacht verspürt - sie im Fernsehen zu sehen, ist etwas anderes als in der Kirche zu erleben, die Atmosphäre zu spüren." Dies gelte, auch wenn man für die Fernsehübertragungen positive Rückmeldung bekommen habe.

Freilich, so Scheuer weiter: "Was ich für Gift halte, ist die Frage des Vergleichs in der momentanen Situation: Die Regeln in Wirtshäusern, Baumärkten und Kirchen gegenüberzustellen." Und es wäre auch fatal, "jetzt in eine Mentalität hineinzukommen, die da lautet: Wo komme ich jetzt rechtlich dazu, mir was zu holen, wo kann ich etwas einklagen?"

Priester leiden unter Vereinsamung

Der Bischof kam auch auf die Situation der Priester in der Krise zu sprechen: "Die Last der Vereinsamung in der Gesellschaft und speziell der Priester ist eine massive Sache, die Priester leiden darunter." Es gebe aber natürlich auch die positive Kultur von Einsamkeit. "Viele Priester haben mir rückgemeldet, dass sie jetzt auch mehr gebetet haben, mal freie Abende haben, etwas weniger zu tun haben im guten Sinne von Muße", berichtete der Bischof. Gleichzeitig habe es auch mehr Kontakte über telefonische und andere Kanäle gegeben. Viele hätten auch Archivarbeit betrieben, "das ist im therapeutischen Sinne ja nicht schlecht: Ordnen, wegschmeißen - das tut der Seele gut". Aber, so Scheuer, er wisse auch von einigen, "für die es eine Kränkung und Verletzung war, dass sie wegen ihres Alters zur Corona-Hochrisikogruppe gezählt wurden".

Quelle: kathpress