Grundeinkommen wird früher oder später kommen

Grundeinkommen wird früher oder später kommen

"Eine Form des Einkommens losgelöst von der Erwerbsarbeit" wird es in Zukunft geben müssen. Barbara Prainsack, Professorin am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Wien, äußerte ihre Überzeugung, dass so eine Systemreform "früher oder später kommen" wird, auch wenn derzeit der politische Willen dazu fehlt. Die international ausgewiesene Expertin für Gesundheits-, Wissenschafts- und Technologiepolitik und Beraterin u.a. der Europäischen Kommission führte dazu im Interview mit der Kooperationsredaktion österreichischer Kirchenzeitungen ethische und auch volkswirtschaftliche Argumente ins Treffen. Das Hauptbedenken gegen ein Grundeinkommen - nämlich dass dadurch viele Menschen zum Nichtstun motiviert wären - hält Prainsack für unbegründet.

Die Politologin, die gerade an einem Buch über Grundeinkommen arbeitet, berichtete, sie habe sich bereits vor der Corona-Krise überlegt, was es bedeutet, Solidarität in unserer Gesellschaft ernst zu nehmen "in einer Zeit, wo viele trotz Vollbeschäftigung von ihrer Erwerbsarbeit nicht mehr leben können". Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, erhöhte Existenz- und Armutsgefährdung als Folgen der Pandemie hatten zuletzt die Diskussion über ein Grundeinkommen als krisenfeste Basisabsicherung angefacht - auch kirchlicherseits durch positive Stellungnahmen von Papst Franziskus, vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRKÖ) oder der Katholischen Sozialakademie.

Prainsack verwies auf eine schon länger feststellbare Lohn- und die Vermögensentwicklung, durch die die "sozialen Scheren" immer weiter auseinandergingen: "Die Löhne stagnieren oder sinken, während die Kosten steigen." Dies wertet die Forscherin als "Versagen der Politik nicht nur in Österreich in den letzten Jahrzehnten".

Viele Corona-Krisenpakete wären obsolet

Vollbeschäftigung werde aufgrund des demografischen Wandels, der Globalisierung, aufgrund der Automatisierung und der Digitalisierung immer utopischer. Die Corona-Pandemie habe zudem gezeigt, dass man sein Erwerbseinkommen relativ schnell und unvorhergesehen verlieren kann. "Viele der Maßnahmenpakete in dieser Krise für die vielen betroffenen Menschen bräuchte es nicht, wenn wir ein Grundeinkommen hätten, das die Menschen absichert", argumentierte Prainsack.

Sie plädierte für ein Modell, das in Österreich gegebene Grunddienstleistungen im öffentlichen Verkehr, in Krankenversorgung, Kinderbetreuung und Bildung weiter ausbaut. Dabei wäre es verfehlt, nur in ­Geldzahlungen zu denken, könne man hier doch durchaus auch volkswirtschaftlich argumentieren. "Ich bin für ein Grundeinkommen, das automatisch und unbürokratisch an alle ausbezahlt wird und das sich der Staat von denen, die es sich leisten können, über Beiträge wie Vermögenssteuern wieder zurückholt", erklärte Prainsack. Jene, die es brauchen, sollten es behalten und so vor Armut bewahrt werden. "Das schafft soziale Gerechtigkeit", und "volkswirtschaftlich gesehen kostet uns Armut".

Wert des Menschen auch ohne Gehalt

Dazu kommt für die Politikwissenschaftlerin ein ethisches Argument: "Viele Leute sagen, in reichen Staaten gibt es keinen Grund, dass wir Menschen in Armut leben lassen, es gibt keinen Grund, dass wir sie nicht absichern, sodass ihre Grundbedürfnisse befriedigt sind und ihnen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich ist." Der Wert des Menschen würde durch ein Grundeinkommen gewürdigt, Ausgrenzung vermieden, so Prainsack.

Zu Vorbehalten von Skeptikern, bei einem bedingungslosen Grundeinkommen würde niemand mehr arbeiten gehen, meinte Prainsack: "Die meisten Menschen arbeiten, auch wenn sie keiner Erwerbsarbeit nachgehen", sie würden unbezahlte, unsichtbare Tätigkeiten verrichten. Arbeit dürfe nicht mit bezahlter Erwerbsarbeit gleichgesetzt werden. "Natürlich gibt es jene, die das System ausnutzen", räumte Prainsack ein, "aber das spielt sich in einem sehr geringen Bereich ab. Wir müssen uns überlegen, ob wir eine bessere Lösung nur deswegen nicht wollen."

Barbara Prainsacks zum Thema verfasstes Buch "Vom Wert des Menschen" erscheint im Oktober im Brandstätter Verlag.

Quelle: kathpress